Mittwoch, 25. Januar 2012

Mein letzter Beitrag muss noch konkretisiert werden

Das gefundene Bild aufgenommen am 16.Mai 1943
Die Ukulele hängt an der Gitarre
Luftfeldpostbrief von Feldpostnummer 30518
Originalbrief geschrieben von Günter Schröder am 16.5.1943
Günter Schröder dirigiert sein Ensemble 1951 vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Der spektakuläre Fund des unten beschriebenen Fotos hat inzwischen in meiner Familie entsprechende Freude ausgelöst.
Deshalb habe ich in meinem persönlichen Archiv des Panterregimentes 35 noch einmal etwas tiefer gegraben.
Anlass hierfür war mir, dass mich mein Bruder heute über das Bild fragte: „Was hängt denn da noch an Vatis Gitarre? Ist das eine Geige oder eine Mandoline?“
Es ist eine kleine Gitarre, welche unter dem Namen Ukulele bekannt ist. Diese hört man zurzeit im von dem Japaner Israel Kamakawiwo'ole neu bearbeitetem bekannten Lied - Somewhere over the Rainbow.

Mein Vater schrieb am 16.Mai 1943 in einem Luftfeldpostbrief an meine Mutter: „Meine Gitarre hat ein Baby bekommen. Ich habe jetzt eine ganz kleine Gitarre, gerade einmal so groß, wie der Hals einer Normalen.
Die spiele ich als Balalaika. Das Ding klingt nicht schlecht.“

Dieser Brief bestätigt, was ich unten schrieb. Er erzählt uns auch noch mehr von den Geschehnissen im Regiment.
Damals im Mai 1943 in den russischen Wäldern, beim „Unternehmen Zigeunerbaron“, dem Kampf gegen die Partisanen.
Sogar der Bildtitel: „Im Wald bei den Mücken!“, den Hans – Jürgen vergeben hat, wird bestätigt.
Ich schreibe den Brief ab und stelle ihn hier zur Verfügung. Er gibt in verschiedenen Dingen Aufschluss über die damalige Situation.

Wäre es nicht schön, wenn wir zu jedem Bild die entsprechende Geschichte wüssten?“

Abschrift des Luftfeldpost – Briefes.
Absender ist die Feldpostnummer: 30518
(Stabskompanie?)

Meine kleine liebe Braut!    16.5.1943

Sonntag ist ein Tag wie jeder andere, bloß glaube ich, dass heute die Sonne viel stärker scheint als sonst. Es ist eine Bullen – Hitze. Eben bin ich aus dem Panzer gekrochen, denn der Schaden war nach kurzem suchen gefunden und behoben. (Vater arbeitete in der Waffeninstandsetzungsstaffel des Werkstattzuges.)
Wir sind hier mitten im Wald. Weit und breit ist kein Dorf zu sehen. Darum ist das Wasser sehr knapp.
Unsere kleine Kampfgruppe braucht viel Wasser, denn alle wollen sich waschen, und trinken will auch jeder.
So wird also Waschen hier sehr groß geschrieben und auch gesprochen.
Trotzdem ist es mir gelungen mich einigermaßen sauber zu kriegen. Nach fünf Minuten Panzerfahrt sind wir durch den Staub nicht wieder zu erkennen.
Trotzdem herrscht bei uns eine gute Stimmung.
Wie immer gelingt es mir diese in jeder Lage hoch zu halten. Na ja, Du kennst mich ja, nicht wahr kleine Evelie.
Ich bekomme in dieser Zeit keine Post, und es wird sich wieder allerhand aufstapeln.
Doch ich werde sie schon bewältigen, denn ich freue mich schon sehr darauf.
Evelie, vielleicht gelingt es Dir etwas Fettcreme auftreiben, denn die kann ich hier sehr gut gebrauchen.
Meine Gitarre hat ein Baby bekommen. Ich habe jetzt eine ganz kleine Gitarre, gerade einmal so groß, wie der Hals einer Normalen.
Die spiele ich als Balalaika. Das Ding klingt nicht schlecht.
Ich habe den Mückenschleier über dem Kopf, denn so was von Mücken wie hier habe ich noch nicht erlebt.
Eben kommt der Marschbefehl und ich muss packen.
Also meine kleine Braut, ich denke an Dich. Bleibe immer gesund.

Tausend liebe Grüße und Küsse
Dein Günter

Auch für die Muttel viele Grüße. Heute ist ja Muttertag.

Das war der Originalbrief.

Durch diesen Brief hat mein lieber Vater nun persönlich zu „seinem Regiment“ gesprochen.
In seinen späteren Jahren hat er sich das so oft gewünscht.
Besonders betonte er immer den festen Zusammenhalt und die beispielhafte Kameradschaft, die im Pzrgt. 35 herrschte.
Die 35 er waren eine verschworene Gemeinschaft!

Und wir haben heute noch einen Einblick, wie es damals „im Wald bei den Mücken“ zuging.

Nachzutragen wäre, dass mein Vater, der im Regiment „der Musiker“ genannt wurde, noch knapp zwei Jahre im Krieg Gitarre gespielt hat, bis seine Instrumente am 30.März 1945 befehlsgemäß, zusammen mit seinem Werkstattwagen, im Wald bei Danzig – Heubude in die Luft gesprengt wurden.
Danach folgten vier ½ Jahre Musik in der russischen Kriegsgefangenschaft, bis er dann 1951 endlich wieder professionell sein Orchester und den Chor des „Thomas Münzer Ensembles Erfurt“ vor dem Brandenburger Tor in Berlin dirigieren konnte.

Freitag, 20. Januar 2012

Es geschehen noch Zeichen und Wunder!


Diese Redewendung drückt bekanntlich aus, dass etwas geschehen ist, mit dem man nicht gerechnet hat. Etwas, das kaum zu glauben ist.

Hans – Jürgen, unser gefühlter amtierender „gewissermaßen Regimentskommandeur“, hatte es mir schon prophezeit:
„Irgendwann wird Dir Dein Vater noch einmal von einem unserer Bilder zulächeln!“

Natürlich habe ich mir das immer gewünscht, doch glauben konnte ich es kaum.
Heute bekam ich nun eine Mail von HJ.
Er schrieb mir:
„Hallo Großer,
haste das Bild gesehen?
Der Soldat hat auch eine Gitarre...
Übereinstimmung?
Dann wäre die Jahreszahl falsch, denke ich...“

Danke lieber Hans – Jürgen!
Deine Voraussage hat sich bewahrheitet.
Ich freue mich sehr über das Bild. Genau so habe ich meinen Vater in Erinnerung. Zumal er wirklich lächelt!
Es handelt sich um meinen Vater. Ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen.

Dieses Bild wurde in der Zeit zwischen dem 9.Mai und dem 8. Juni 1943 aufgenommen.
(Das Originalbild befindet sich im großen Blog unter dem Titel: Im Wald bei den Mücken.)

Anfang April lag die 4.Panzerdivision in Nowgorod Sewerski, in Seredina Buda und Schostka.
Durch die Rasputniza, die Schlammperiode im Frühjahr, waren keine Kampfhandlungen möglich. So konnte man im Rahmen der Aktion „Lenz“ die erste Ruhezeit seit 21 Monaten Krieg für eine allgemeine Auffrischung, für Reparaturen und Ausbildung, allerdings ohne Neuzuführung von Menschen und Material, nutzen.
Damit wurde die große Schlacht um die Begradigung des russischen Frontbogens um Kursk vorbereitet.
Interessant ist, dass von diesem „Angriffsunternehmen Zitadelle“ nur engere obere Kreise mündlich unterrichtet worden waren. Fast gleichzeitig war es schon ein allgemeines Gesprächsthema in den Urlauberzügen.
Der schließlich erfolgte Befehl: „Strengste Geheimhaltung! Anmarsch nur im Dunklen! Umbenennung aller Stäbe und Truppenteile! Bis zum Beginn Funkstille!“, machte keinen Sinn. Die Russen waren durch Verrat lange vorher informiert.
Unternehmen Zitadelle wurde aus anderen Gründen verschoben.
So konnte das auch wichtige „Unternehmen Zigeunerbaron“ durchgeführt werden.
Die russischen Partisanen wurden von den deutschen Soldaten als Banden bezeichnet, weil sie hinter dem Rücken der Deutschen Wehrmacht agierten. Das war zwar nicht ritterlich, aber effektiv für die russische Seite.
Die Partisanenüberfälle und die damit entstandenen Schäden und Verluste mehrten sich. Die Durchführung des Unternehmens „Zigeunerbaron“, welches die Aufgabe hatte die 6000 vermuteten Partisanen in den riesigen Wäldern südlich von Briansk  zu vernichten, war zwingend erforderlich.
Es war erkennbar, dass diese den offiziellen Auftrag hatten die deutsche Offensive von hinten her massiv zu stören.
Während der Aktion „Zigeunerbaron“ wurde das oben beschriebene Bild mit meinem Vater aufgenommen. Er war im Regiment allgemein als „der Musiker“ bekannt, was ich inzwischen von Fritz Schneider vermittelt von Hans - Jürgen weiß.
Es ist auf dem Bild deutlich erkennbar, dass die allgemeine Stimmung im Panzerregiment 35 zu dieser Zeit noch sehr gut war.
Mit Sicherheit hat mein Vati dazu seinen Beitrag geleistet.
Darauf darf auch ich ein bisschen stolz sein.

Mittwoch, 11. Januar 2012

So ging es weiter


 Wir hatten über die Ausbildung beim Barras gesprochen.

Nachdem man mit uns das gesamte Potpourri der Ausbildungsgemeinheiten durchgespielt hatte veränderten sich genau eine Woche nach meinem 20.Geburtstag alle bisher geführten Diskussionen.
Am 22.Juni 1941 begann der Krieg gegen die Sowjetunion.
Diesen Krieg wollten die Nazis, genau wie die vorherigen Kriege auch, mal eben so blitzkriegsmäßig gewinnen.
Hat sich denn keiner die Landkarte angesehen und die riesengroße Sowjetunion mit dem kleinen Deutschland verglichen?
Wusste niemand, dass die "Rasputnizas", die Schlammperioden im Frühjahr und im Herbst jede Bewegung unmöglich machen, und die russischen Winter an Stärke nicht mit den deutschen Klimabedingungen zu vergleichen sind?
Ich hatte ein mulmiges Gefühl und konnte nicht mehr frohgemut in die Zukunft schauen.
Trotzdem ließ man sich in diesem Alter immer wieder verführen. 
In Frage stellen konnte man politische Entscheidungen damals keinesfalls. Das wäre nicht gut für die eigene Gesundheit gewesen. Ob jemand gern oder ungern zur Wehmacht ging das war völlig egal.
Nach der aufgezwungenen Vereidigung hatten wir einen sehr einseitigen Pakt mit dem Teufel geschlossen, aus dem man nicht mehr entkommen konnte.
Wie alle Soldaten musste auch ich, diese Eidesformel schwören:

"Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."

Als wir uns somit verpflichtet hatten für den Führer unser Leben zu spenden bekamen wir, gewissermaßen als kleine Aufmerksamkeit von ihm, unsere persönliche Erkennungsmarke.
In meine Marke war die Nummer „-403 – A.Pz.E.A. 5“ eingestanzt, was für Ausbildungsabteilung der Panzerersatzabteilung 5 stand.
Ab sofort musste diese Erkennungsmarke ständig an einer Schnur unter dem Hemd auf der Brust getragen werden. Es ziepte, wenn sich die langsam wachsenden ersten Brusthaare in den ausgestanzten Ritzen verfingen.  
Dieses kleine Blechschildchen bestand aus zwei Hälften, welche die gleiche eingeprägte Beschriftung hatten. In der Mitte perforiert war sie leicht auseinander zu brechen. 
Die Hundemarke, wie sie von den Landsern genannt wurde, hatte den einzigen Zweck unsere Leiche zu identifizieren. Wer einen toten Kameraden fand musste die Marke auseinander brechen. 
Der abgebrochene Teil wurde dem Verwaltungsoffizier mit Angabe des Fundortes der Leiche zur Registrierung übergeben. Die andere Hälfte blieb am Hals des Toten. Mit gerade mal 20 Lebensjahren dachte man ungern über diese Prozedur nach. Sie hatte zu viel Makaberes. Schließlich handelte es sich um den eigenen Tod.
Dass diese Tätigkeit später zur „normalen Soldatenarbeit“ gehörte, ahnten wir jungen Helden damals noch nicht.
Wir überlegten auch nicht, wie nahe der Zeitpunkt unserer Abreise an die Front schon war.
Noch beschäftigten uns die schöneren Gedanken, die alle jungen Männer haben.
Es gab auch schöne Stunden in Neuruppin.
Zum Beispiel wie auf dem Bild unten zu sehen, war Schröder natürlich gern immer mitten drin, wenn Röcke in der Nähe waren. 


Oder bei meiner Lieblingsbeschäftigung, beim Musizieren mit meinen Musikantenkameraden.



Ende August ging unsere Ausbildungszeit in Neuruppin zu Ende. Der Krieg gegen die Sowjetunion dauerte schon über zwei Monate und die ersten Ausfälle an Soldaten mussten ersetzt werden.
Man wartete an der Front auf uns.
Viele meiner Kameraden waren begeistert nun doch noch an diesem Feldzug teilnehmen zu dürfen. Es wäre ein Schock für sie gewesen, wenn eine andere Einheit die deutsche Fahne auf dem Moskauer Kreml gehisst hätte.
Was hatten doch die Nazis für eine gute Propagandaarbeit geleistet!
Wirklich, das war so.
Die meisten jungen Soldaten hatten Angst, sich nicht mit Ruhm bekleckern zu dürfen. Keiner sprach davon, dass durchaus die Möglichkeit bestand, dass sie sich statt mit Ruhm, mit ihrem eigenen Blut bekleckern konnten. Was viele dann auch prompt getan haben.

Wir wurden befördert: Dienstgrad Schütze. Nun waren wir endlich keine Rekruten mehr, keine Frischlinge oder Rotärsche. Wir konnten auf unsere Kampfeinheiten verteilt werden.                                          
Für diese waren wir dann wieder Frischlinge und Rotärsche.       
Nun war mein Dienstgrad Schütze, meine Dienststellung Panzerfahrer, meine Einheit das Panzerregiment 1 in der I. Panzerdivision und mein Heimatstandort Erfurt.                
Wir waren abmarschbereit zur Front.



Wenn man in die Gesichter von uns  Milchreisbubis sieht, muß man zu dem Schluß kommen, daß wir zum Sterben viel zu jung waren. 
Ich stehe ganz rechts mit meiner Gitarre, die mir eigentlich viel wichtiger war als mein Gewehr. Vor allem auch nützlicher!

Von Erfurt, der Hauptstadt des Landes Thüringen, wusste ich bis dahin gar nichts. 
Einige Kameraden und ich bekamen den schriftlichen Marschbefehl, mit der gesamten Ausrüstung per Reichsbahn unverzüglich dort hin zu fahren und uns in der Panzerkaserne am Steigerwald zu melden. Von der Stadt Erfurt habe ich damals während der wenigen Tage in der Panzerkaserne nicht viel gesehen.
Wir empfingen noch ein paar Ausrüstungsgegenstände, unsere Marschverpflegung und den Marschbefehl zu unserem Frontregiment, welches vor Leningrad kämpfte. Dann fuhr man uns zum Erfurter Güterbahnhof.
Auf den dort bereitstehenden Güterzug waren Ersatzteile, Munition und Material als Nachschub für die Front geladen. 
Ein Güterwagen war für uns Soldaten, die als Begleitkommando und Ersatz mitfuhren, als Reiseaufenthalt vorgesehen. 
Die erste Fahrt nach Russland zur Front in Richtung Moskau begann.


Orginalbild von unserem Transportzug, der uns zum ersten Mal in die Sowjetunion brachte.
(Fortsetzung folgt )